
Ein beliebtes Vergnügen an Kindergeburtstagen ist das Spiel „Blinde Kuh“. Dabei werden die Augen verbunden und man versucht ein anderes Kind der Geburtstagsgesellschaft einzufangen. Ähnlich im Dunkeln tappend fühlen sich Menschen mit einer körperlichen oder geistigen Einschränkung, die auf einer Website nach Informationen suchen. Das Gesuchte zu finden wird zu einer Glückssache. Dieser Missstand ist in einer Gesellschaft, die auf Teilhabe setzt, nicht mehr zeitgemäß und wird vom Gesetzgeber nicht länger toleriert.
Dieser Artikel beantwortet Ihnen folgende Fragen, damit Sie barrierefreie Dokumente umsetzen können:
- Wie stellen Sie fest, welche Dokumente es auf Ihrer Website gibt?
- Welche Dokument müssen barrierefrei sein?
- Wie barrierefrei sind Ihre Dokumente aktuell?
- Welche Anpassungen werden wann durch wen durchgeführt?
- Was ist bei der Umsetzung zu beachten?
- Wie kann man Barrierefreiheit nachhaltig sicherstellen?
Eine unnötige Barriere für 13 Millionen Menschen
Ein PDF, das nicht barrierefrei gestaltet ist, stellt für 13 Millionen Menschen mit permanenten oder episodischen Einschränkungen in Deutschland eine nahezu unüberwindliche Hürde dar. Besonders betroffen sind
- Menschen mit Sehbehinderung
- Analphabeten
- Menschen mit motorischen Einschränkungen
- Kognitiv eingeschränkte Menschen
- Menschen mit Dyslexie
- Gehörlose Menschen
Jeder Mensch kann jederzeit von einer vorübergehenden Beeinträchtigung betroffen sein, durch die beispielsweise die Navigation per Maus nicht mehr möglich ist. Das sollte uns alle motivieren, das Thema Barrierefreiheit anzugehen.
Stadtwerke sind verpflichtet, Barrierefreiheit umzusetzen
In Deutschland müssen Stadtwerke und Energieversorger verschiedene Dokumente und digitale Inhalte barrierefrei gestalten, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Die wichtigsten Vorgaben ergeben sich aus dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), der EU-Richtlinie 2019/882 (European Accessibility Act, EAA), dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) sowie der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0).
Für eine verbindliche rechtliche Einschätzung wenden Sie sich bitte an einen spezialisierten Anwalt oder eine zuständige Behörde. Dieser Text dient lediglich der allgemeinen Information und stellt keine rechtliche Beratung dar.
Und jetzt alle PDFs einmal barrierefrei!
Haben Sie eine Ahnung, wie viele Dokumente sich auf Ihrer Website tummeln? Oft sind es dutzende oder sogar hunderte. Diese alle barrierefrei gestalten? Eine Herkulesaufgabe, so scheint es. Doch wenn man mit System vorgeht, ist es nicht so dramatisch, wie es der erste Blick nahelegt, im Gegenteil, hier bietet sich eine ausgezeichnte Gelegenheit, endlich einmal auszumisten. Denn im Normalfall werden PDFs und Dokumente aus allen Abteilungen in den Ring geworfen. Jemand aus dem Marketing oder der IT lädt sie dann auf der Website hoch und gut ist. So entsteht über die Jahre ein Wildwuchs an Preislisten, Vertragstexten, Studien, Analysen, Kundenmagazinen und vielem mehr.
Wer soll das machen, bitte schön?
Gute Frage, häufig wird die Marketingabteilung mit derartigen Speziallaufgaben betraut und bedankt sich. Dabei muss man allerdings wissen, dass die Umwandlung alter Dokumente in barrierefreie nicht nur Spezialkenntnisse erfordert, sondern auch eine gehörige Portion detektivischen Spürsinns, denn Sie benötigen immer das Ursprungsdokument.
Ein PDF nachträglich barrierefrei zu gestalten, ist extrem aufwändig und manchmal nicht möglich. Erheblich einfacher ist es, wenn Sie mit dem Ursprungsdokument arbeiten. Was das bedeutet, muss wohl nicht näher erklärt werden. Unsere Empfehlung lautet: Bleiben Sie entspannt und wählen Sie den pragmatischen Weg.
In 6 Schritten zum barrierefreien Dokument
Stellen Sie zunächst fest, welche gesetzlichen Vorgaben für Sie gelten. Ist es das BGG oder das BFSG? In unserem Online-Magazin finden Sie ausführliche Informationen zu diesem Thema (zum Artikel).
Schritt 1: Bestandsaufnahme – welche Dokumente gibt es?
Wenn Sie sich einen realistischen Überblick verschaffen möchten, kommen Sie nicht darum herum, alle Dokumente auf Ihrer Website manuell durchzugehen und eine aussagekräftige Liste zu erstellen, die erfasst, woher sie kommen, von wann sie sind und so weiter.
Falls Sie von Website-Crawling-Tools träumen, die Ihnen diese Arbeit abnehmen, müssen wir Sie enttäuschen. Unsere Erfahrung zeigt, dass damit nicht zuverlässig alle Dokumente erkannt werden.
Im Rahmen unserer Arbeit haben wir eine Excel-Tabelle entwickelt, die sich in der Praxis bewährt hat und die Sie sofort einsetzen können. Auf Anfrage stellen wir Ihnen diese gerne kostenfrei zur Verfügung: info@agentur-heumann.de
Schritt 2: Relevanz – welche Dokumente müssen barrierefrei sein?
Unterteilen Sie die Liste der Bestandsaufnahme in:
1. Dokumente, die barrierefrei sein müssen: Zum Beispiel alle kundenrelevanten Dokumente wie Rechnungen, Formulare, AGBs, Preisblätter, Infos zu Dienstleistungen und Tarifen
2. Dokumente, die nicht zwingend barrierefrei sein müssen: Zum Beispiel interne oder archivierte Dokumente, die nicht mehr verwendet werden
3. Dokumente, die ganz weg können: Davon werden Sie garantiert einige finden
Schritt 3: Check – wie barrierefrei sind Ihre Dokumente?
Zum aktuellen Zeitpunkt gehen wir jede Wette ein, dass Sie so gut wie keine Dokumente auf Ihrer Website finden, die bereits den Anforderungen der Barrierefreiheit entsprechen. Falls doch, wäre das ein guter Anfang. Zuverlässig feststellen können Sie es mit einem Barrierefreiheitscheck.
Für eine erste Einschätzung können Sie die Barriererfreiheits-Tools nutzen, die in Programmen wie etwa InDesign implementiert sind. Auch die Prüfung in Microsoft Word ist hilfreich, aber in der Tiefe wenig aussagekräftig. Eine erste Prüfung lässt sich in Adobe Acrobat DC mit einem Preflight-Setting durchführen – allerdings können die Ergebnisse vom PAC 2024-Report abweichen, der der Standard zur Prüfung von PDFs ist.
Grundsätzlich können Barriererfreiheits-Prüfungstools allein nicht das erforderliche Know-how ersetzen und am Ende des Tages müssen Sie ohnehin wieder zum Ursprungsdokument zurück, da die Umwandlung von PDFs extrem aufwändig ist.
Schritt 4: Strategie – welche Anpassungen wann durch wen?
Nun beginnt die Phase, in der die Weichen gestellt werden. Folgende Todos helfen Ihnen, die richtigen Entscheidungen zu treffen:
1. Prioritäten setzen: Entscheiden Sie ganz pragmatisch, welche Dokumente zuerst barrierefrei gemacht werden sollten, z.B. Preislisten, Rechnungen, Formulare.
2. Format wählen: Es muss nicht jedes Dokument als PDF hochgeladen werden. Wenn Sie über eine gut strukturierte und barrierefreie Website verfügen, macht es häufig viel mehr Sinn, die Inhalte als HTML-Seiten zu integrieren. Ein Online-Magazin macht zum Beispiel auch Ihren Kunden in der Regel viel mehr Spaß als ein Blätter-PDF.
3. Umsetzung intern oder extern festlegen: Gibt es in Ihrem Unternehmen eine Person, die über das erforderliche Spezialwissen verfügt oder dieses erlernen kann? Wenn nicht, dann ist es wirtschaftlich effizienter die internen Ressourcen für die Kernaufgaben zu nutzen und einen versierten externen Dienstleister für die Umsetzung der Barrierefreiheit hinzuzuziehen.
Schritt 5: Umsetzung der Barrierefreiheit – was ist zu beachten?
An dieser Stelle würde es den Rahmen sprengen, alle Kriterien zu erklären, die bei der Erstellung eines barrierefreien Dokuments beachtet werden müssen. Die folgende Liste gibt Ihnen einen Eindruck, wie komplex die Aufgabe ist und wie herausfordernd für jemanden, der sich nicht täglich mit dem Thema beschäftigt.
Dateiformat
Metadaten
Sprache
Formatvorlagen
Aufzählung
Inhaltsverzeichnis
Abstände und Umbrüche
Beschriftung von Grafiken
Tabellen
Verlinkungen
Farben
Spalten
Silbentrennung
Textfelder
Barrierefreiheitsprüfung
Erstellung barrierefreier pdf-Dokumente
Schritt 6: Qualitätsmanagement – wie Barrierefreiheit langfristig sichern?
Wenn alle Dokumente auf den Stand der Barrierefreiheit gebracht worden sind, haben Sie Ihre Herkulesaufgabe erledigt. Jetzt sollten Sie unbedingt die Basis dafür legen, mit überschaubarem Aufwand die Qualität zu erhalten.
Dafür sind folgende Maßnahmen empfehlenswert:
Alle neuen Dokumente barrierefrei erstellen
Im besten Fall wird jedes neue Dokument, das veröffentlich werden soll, in der Ursprungsversion – also als Word, Excel oder InDesign-Dokument – zu einer zentralen Stelle im Marketing oder in der IT weitergeleitet. Entweder wird es von dort aus direkt dem Dienstleister übergeben oder aber intern barrierefrei gestaltet und beispielsweise als PDF gespeichert. Sobald das geschehen und der grüne Haken dran ist, steht der Veröffentlichung nichts mehr im Weg.
Um intern barrierefreie, veröffentlichungsfähige Dokumente zu erstellen, sollten die zuständigen Mitarbeiter unbedingt an qualifizierten Schulungen teilnehmen, um sich mit dem erforderliche Spezialwissen fit zu machen.
Regelmäßige Prüfungen
Zum Beispiel durch Tools wie PAC 2024 zum Check von PDFs auf Barrierefreiheit oder durch Ihren Dienstleister.
Barrierefreiheitserklärung
In dieser stellen Sie Transparenz für den Nutzer her, indem Sie in regelmäßigen Abständen darlegen, welche Inhalte und Dokumente noch nicht barrierefrei sind.
Und was können wir für Sie tun?
Die Aufgabe, die vor Ihnen liegt wird wesentlich überschaubarer, wenn Sie sich klarmachen, dass es in den meisten Fällen wirtschaftlicher und nervenschonender ist, Arbeiten outzusourcen, die nicht zu Ihren Kernkompetenzen gehören.
Wir unterstützen Sie von der Beratung bis zur Erstellung Ihrer barrierefreien Dokumente
- Beratung & Strategie
- Schulungen & Workshops
- Dokumentencheck & Optimierung
- Prüfung fertiger PDFs auf Barrierefreiheit
- Komplettservice – Erstellung barrierefreier Dokumente und Templates
Fordern Sie unser PDF „Barrierefreie Dokumente – professionelle Umsetzung für Energieversorger“ an
mit ausführlichen Informationen zu unseren Leistungen
Telefon: 0571 972 518 0
E-Mail: info@agentur-heumann.de
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